HEALTHEWORLDSebastian Dannenberg lotet in seiner künstlerischen Praxis die offenen Möglichkeiten zeitgenössischer Malerei aus. Nur selten verwendet er klassische Bildträger auf Keilrahmen, sondern arbeitet direkt auf der Ausstellungswand, bindet aber auch gerne die Decke, den Boden und weitere raumstrukturierende Elemente ein. Als Farbe verwendet er handelsüblichen Lack, den er einfarbig aufträgt – als Fläche oder Streifen, mitunter entstehen aber auch übergroße Worte in Spiegelschrift, die in ihrer Ästhetik amerikanischen Billboard-Werbetafeln entlehnt sind. Die Erweiterung der Malerei wurde bereits seit den 1960er Jahre vielfältig erprobt. In der Tat zeugen Dannenbergs Arbeiten von einer Auseinandersetzung mit Positionen der Minimal und Conceptual Art. Es gibt aber auch deutliche Bezugnahmen zur konstruktiv-abstrakten Malerei und den Konzepten des Suprematismus. Dannenberg hat vor diesem Hintergrund eine ganz eigenständige und auch zeitgenössische Position entwickelt. Seine ortbezogene Arbeiten sind in der Regel nicht auf Dauer angelegt, sondern verschwinden nach der Ausstellung unter den geweißten Wänden. Es sind Markierungen auf Zeit, die aber dessen ungeachtet eine besondere Präsenz und Intensität entfalten. Dannenberg lässt sich von den architektonischen Gegebenheiten inspirieren, hebt sie hervor und ergänzt sie bisweilen um weitere architektonische Elemente, um einem Vorsprung, eine Rundung oder ein mehrteiliges Lattengerüst. Vielfältige und bedenkenswerte Bezüge zwischen Ort, Betrachter und künstlerischer Setzung entstehen. Für die Ausstellung in der Weserburg hat Dannenberg einen blauen Farbstreifen gezogen. Er setzt an einer tragenden Säule an, steigt senkrecht auf, zieht sich torbogenartigen über die Decke, um auf der gegenüberliegenden Wand senkrecht hinuntergeführt zu werden, bevor der Streifen schließlich nach einem Rechtsbogen horizontal ausläuft. Die beiden Übergänge von Wand zu Decke hat Dannenberg mit provisorisch anmutenden Einbauten abgerundet, so dass sich der Farbstreifen der Architektur regelrecht anschmiegen kann. Dannenbergs Malerei ordnet sich nicht unter. Sie akzentuiert, verändert, erweitert und irritiert den Raum und bleibt am Ende doch ganz Malerei.
Das graue RauschenEs ist das Interesse an scheinbar Randständigen, am Zurückgelassenen und am Umfunktionierten, das Sebastian Dannenbergs Denken anregt und seinen Arbeitsprozess stimuliert. Oft sprachen wir über seine Erlebnisse auf Reisen ins Ausland, auf denen er eine Vielzahl von visuellen Eindrücken sammelte, die später Einfluss in seine Arbeiten fanden. Als besonders eindrucksvoll schilderte er seine Findungen im afrikanischen Ghana. Dort beobachtete er, wie Gegenstände wie beispielsweise Autos, Häuser oder Mauern von ihren Besitzern auf individuelle Weise gestalterisch bearbeitet waren, wie es in Europa äußerst ungewöhnlich ist. Meist handelte es sich um grafische Muster, geometrische Formen oder Symbole, die auf die Oberflächen der jeweiligen Dinge gemalt oder gesprüht waren. Sebastian Dannenberg stellte schnell fest, dass ihn diese beiläufig auftauchenden Findungen begeistern, weil er darin etwas Künstlerisches erkannte. So wurde für ihn eine mit zwei leuchtenden Farbflächen bemalte Hütte zum Colorfield-Painting oder ein bunt bemaltes Gatter zu einer linearen Skulptur im öffentlichen Raum. Besonders beeindruckten ihn die Direktheit und die Nicht-Perfektion, in der die Gegenstände gestaltet waren. Die malerischen Eingriffe erschienen als starke Setzung, die in Verbindung mit den Abnutzungserscheinungen und der Marginalität, die vielen dieser Gegenstände eingeschrieben war, etwas Kraftvolles und Authentisches ergab, von dem er sich so stark angezogen fühlte. Unsere Gespräche über diese Erfahrungen haben bei mir dazu beigetragen, solche Wahrnehmungen ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen. Ebenfalls habe ich so Einblicke in das künstlerische Denken von Sebastian Dannenberg erhalten, die bis heute meinen Umgang mit seinem Werk prägen. Dieser subjektive Rückgriff am Beginn einer Auseinandersetzung mit seinem Werk kann also vielleicht auch dazu beitragen, meine Lesart des Werks in eine allgemeinere Rezeption von Sebastian Dannenbergs Kunst mit einfließen zu lassen. Für die Ausstellung „the amazing GREY“ im MMIII Kunstverein Mönchengladbach hat sich der Künstler intensiv mit öffentlichen und halb-öffentlichen Räumen beschäftigt, die keine Nutzung mehr erfahren und dabei untersucht, wie sie sich in einem solch obsoleten Zustand verändern. Gerade in Nordrhein-Westfalen, wo in den letzten vierzig Jahren eine massive Umstrukturierung der Wirtschaft stattgefunden hat, kennen alle die Auswirkungen solcher Prozesse. Im Optimalfall ist es eine gewisse Ruinenromantik, die in den Brachen von ehemaligen Industriestandorten erhalten bleibt. Doch wie verhält es sich mit Orten, die nicht den Charme der Vergangenheit in sich tragen, sondern eher die hässliche Seite der Gegenwart offen zutage befördern: Zweckarchitekturen, die am Reißbrett konzipiert wurden und nach Schema F an jedem beliebigen Standort aufgestellt werden können. So beispielsweise Schnellrestaurants oder Einkaufszentren, die in ihrem immer gleichen Design, lediglich die Kauflust der Kunden animieren sollen. Der französische Anthropologe Marc Augé hat in den 1990er Jahren den Begriff des Nicht-Orts eingeführt, der in diesem Kontext nützlich gemacht werden kann. Nicht-Orte sind für Augé monofunktionale Bauten wie zum Beispiel Flughäfen, Shopping-Malls oder Bahnhöfe. Sie sind transitorische Orte, in denen sich Identität nicht manifestiert. Es sind Orte, die kommunikativ verwahrlost sind, Orte, an denen die Abwesenheit von Menschlichkeit und Geschichte spürbar wird. Doch was passiert an und mit diesen Orten, wenn sie ihrer Funktion enthoben sind? Sebastian Dannenberg hat sich dorthin begeben, um diesen Fragen nachzugehen und beobachtet, wie Zweckgegenstände zum nackten Objekt werden, wenn ihre Funktion suspendiert wird. So entsteht eine Lücke, die als ästhetisch betrachtet werden kann, weil sie über die Verfallsgeschichte des Ortes Bände spricht. Sebastian Dannenberg erkennt die Poetik dieser Situationen, sie dienen ihm als Stimulanz, um seinen Werkprozess in Gang zu setzen. So entstehen Objekte, die von diesen Findungen inspiriert sind, sie aber niemals eins zu eins nachbilden. Vielmehr schafft er Versatzstücke einer Realität, die als Fragment eine uns bekannte Formsprache des Öffentlichen abruft: Wenn wir die Ausstellung begehen, fühlen wir uns in diese Situationen versetzt, denn die Arbeiten erinnern an Ladenzeilen oder Werbetafeln, die durch ihre plakativen Wortfetzen an Botschaften im öffentlichen Raum erinnern. Andere Arbeiten wie „aircondition studio version“ verweisen durch ihren Titel direkt auf ihren Bezug auf eine Dingwelt, wie sie an Nicht-Orten, um in den Worten Augés zu sprechen, wie Parkhäusern oder Einkaufszentren vorzufinden sind. Durch diesen offensichtlichen Bezug auf Realität verändert sich auch die Wahrnehmung des Galerieraums: Er wird vom Kunstraum zur Passage, den man begeht, als würde man durch den Stadtraum schlendern. So wird der Betrachter zum Flaneur. Eine solche Reaktion ist für Sebastian Dannenberg keineswegs negativ konnotiert. Ihm ist viel daran gelegen, durch den Einsatz von architektonischen Versatzstücken eine Realitätssimulation zu erschaffen, die als solche erfahren wird. Durch dieses Schlendern und Abschreiten wird die kontemplative Erfahrung des einzelnen Werks dynamisiert und der Blick des Betrachters auch auf den Umraum, also die ortsspezifische Situation als Ganzes gelenkt. Wenn man also davon ausgeht, dass Sebastian Dannenbergs Arbeiten einen eigenen Raum erschaffen, muss man konsequenterweise auch die Frage stellen, in welcher Zeit dieser Raum verortet werden kann. Ich behaupte, dass die Arbeiten, die der Künstler in „the amazing GREY“ präsentiert, unsere unmittelbare Gegenwart aufrufen. Denn mit Versatzstücken wie Neonröhren oder Werbe-Buchstaben adressiert er eine Warenästhetik, wie sie uns aus unserer heutigen Konsumwelt einschlägig bekannt ist. Gleiches geschieht in der Arbeit „aircondition studio version“: Wie der Titel verrät, ist ihre Form von einer Klimaanlage inspiriert, die mit einfachsten Mitteln, nämlich den Bodenplatten eines im Atelier des Künstlers befindlichen Schwerlastregals nachempfunden wurde. Allerdings könnte man sich auch an andere Gegenstände erinnert fühlen, die ebenfalls aus dem Kosmos unserer Jetzt-Zeit entstammen. Konkret sei hier auf Stapelboxen aus Plastik verwiesen, wie sie von Self-Storage Unternehmen bereitgestellt werden. In einer sich radikal beschleunigenden Arbeits- und Lebenswelt der 1960er Jahre wurden in den USA riesige Lagerhallen gebaut, in denen das Hab und Gut von Großstädtern eingelagert werden konnte, weil der verknappte Wohnraum der Städte längst nicht mehr genügend Platz zur Verfügung stellte, um dauerhaft sesshaft zu werden. Ein Imperativ der Mobilität, der tief in ein solches Konzept eingeschrieben ist, hat mittlerweile global um sich gegriffen und kaum einen Lebensbereich verschont gelassen: Berufe sind zu zeitlich befristeten Jobs geworden, Produktionen werden bedarfsorientiert ausgelagert und mit Billigfliegern oder Videotelefonaten kann man immer überall sein. Unter diesen Bedingungen erfährt die Stapelbox, die an Orten eingelagert wird, die vermutlich auf frappierende Weise den von Marc Augé beschriebenen Nicht-Orten entsprechen, eine neue, ja, eine metaphorische Aufladung. „aircondition studio version“ scheint in seiner minimalistischen und cleanen Erscheinung einen solchen Identitätsverlust unmittelbar zu thematisieren. Doch gibt es neben dieser inhaltlichen Assoziationskette auch ein weiteres, ein werk-immanentes Element in Sebastian Dannenbergs Arbeiten, dem unbedingt Beachtung geschenkt werden muss, nämlich sein Einsatz von und sein Umgang mit Farbe. Wir sehen Vordächer, in die sich graue Monochrome einfügen, Neonröhren, die durch ein blaues Rechteck gerahmt sind und Buchstaben, die mit einem tiefen Schwarz gefüllt sind. Wie in vielen seiner anderen Arbeiten führt Sebastian Dannenberg diese Malereien direkt auf der Wand aus. Durch die Art, wie er Farbe verwendet, scheint den Werken ein lustvoller Moment hinzugefügt werden, der im Kontrast zu der Strenge der skulpturalen Konstruktionen steht. Die Flächen und Linien sind so satt gefüllt, dass die Farbe über die Begrenzungen der Fläche tropft. Sichtbare Pinselstriche zitieren einen malerischen Gestus. Allerdings dient dieser lustvolle Umgang mit Farbe nicht nur dazu, um sich zu den eigenen Verflechtungen mit dem Medium Malerei zu bekennen. Vielmehr verhandelt Sebastian Dannenberg durch den Einsatz von Farbe die konzeptionellen Fragen, die er an das Medium der Malerei stellt. Namentlich ist damit das Potential der Malerei gemeint, Räumlichkeit zu erzeugen.Dies wird durch die Tatsache verkompliziert, dass eine solche Auseinandersetzung – zumindest im Falle des klassischen Tafelbildes – immer nur in der zweidimensionalen Fläche stattfindet und somit illusorisch bleiben muss. Sebastian Dannenberg hat diese konventionelle Form der Malerei hinter sich gelassen und sie in den dreidimensionalen Raum übertragen. Die Malerei verliert dabei ihre darstellende Funktion und fungiert stattdessen als Markierung oder Setzung, die als gleichberechtigtes Element in die skulpturale Inszenierung eingreift. Wenn einer der Regalböden in „aircondition studio version“ nach vorne aufklappt und dahinter eine rote Fläche zum Vorschein kommt, wird die Ansichtsseite des Objektes um ein Dahinter erweitert. Man kann nicht sehen, ob sich ähnliche Farbflächen auch hinter den anderen Regalböden verstecken, zieht aber der potentielle Existenz automatisch in Betracht. Somit entgrenzt sich das Wandobjekt in eine imaginäre Sphäre. Im Kopf des Betrachters setzt es sich zu einem dreidimensionalen Objekt, das über ein Vorne, Hinten, Oben und Unten verfügt, zusammen. Natürlich geht es hier nicht darum, ein Rätsel zu ersinnen, dessen Lösung durch Hochklappen des Deckels preisgegeben werden würde. Das Spiel mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zielt darauf ab, klassische Werkkategorien zu destabilisieren, die die Sphäre des Werks lediglich auf seinen faktischen Körper zu reduzieren. Werken wie „aircondition studio version“ gelingt es also, ihren manifesten Objektstatus in eine imaginäre Sphäre zu erweitern. Sebastian Dannenberg untersucht so die Vorstellung, dass Raum nicht zwangsläufig physisch greifbarer sein muss. Damit schließt seine Arbeit an Raumtheorien an, die im Bereich der Wissenschaft, vor allem durch die Theorien der Poststrukturalisten, intensiv bearbeitet worden sind. Diese Theorien erweitern die Vorstellung von Räumen als rein physische Orte dadurch, dass auch Konventionen, Regeln oder Politik unsichtbare Räume generieren können, die von uns als solche wahrgenommen werden und dann Einzug in unser Denken und Verhalten finden. „the amazing GREY“ deutet auf werkimmanenter Ebene auf diese Thematik hin und nimmt so den inhaltlichen Anspruch wieder auf, eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Un-Orten unserer Gegenwart zu behaupten. Die Werke der Ausstellung fordern uns so dazu heraus, unser eigenes Verhältnis zu diesen Orten zu bestimmen.
straight edge straight edge von Sebastian Dannenberg ist ein zwanzig Meter lange, etwa 130cm tiefe Konstruktion. Die vordere Höhe liegt bei 50cm, die hintere beträgt gut 90cm. Es ist eine Art lang gestreckter, schmaler Tisch oder eher ein Display, dessen hintere Partie zur vorderen, exakt waagerechten stumpf angewinkelt ist. Diese hintere, rund Zweidrittel der Gesamtfläche einnehmende Zone sieht wie hochgeklappt oder schräg gestellt aus. Diese geknickte Fläche besteht aus mit weißer Fassadenfarbe gestrichenen Seekieferplatten, einem sichtbar rauen, mit diversen größeren Ausflickungen versehen Material, das auch unter dem Namen Konstruktionssperrholz angeboten wird. Diese Fläche ruht auf einer funktionalen Konstruktion aus unbearbeiteten Holzlatten. Die Beine stehen in einem regelmäßigen Abstand, durch den ein Rhythmus und ein Maß für die Längenerstreckung der Konstruktion gegeben sind; Diagonalverstrebungen geben dem Unterbau die erforderliche Stabilität.
straight edge von Sebastian Dannenberg ist eine präzise in die architektonischen Gegebenheiten des Parks eingepasste Konstruktion. Sie bezieht sich in Maß, Form und Platzierung auf die beiden Backsteintreppen, die vom Rosengarten, also der Ebene des Bassins hinauf zum dem Staudengarten vorgelagerten Lindenplatz führen. Die Winkelung der Displayfläche verläuft streng parallel zu Einfassung dieser Treppen, also zunächst horizontal, dann ansteigend. Die Konstruktion berührt diese Einfassung an keiner Stelle. Sie blockiert die (vom Bassin aus gesehen) rechte Treppe zur Hälfte, die linke vollständig. Der Zugang zur zurückgesetzten Treppe außen links, neben dem Lindenplatz ist stark erschwert; lediglich ihr Pendant auf der rechten Seite ist ungehindert zugänglich. straight edge ist eine Sperre. Die Konstruktion stört die Routinewege der Parkbesucher. straight edge stört die strenge Symmetrie dieses Parkteils durch seine tendenziell auf den linken Bereich des Geländes orientierte Platzierung und Erstreckung. Hierbei irritiert besonders der linke, einen Treppenzugangsweg verstellende Teil der Konstruktion, der hier notwendig bis an den Rand des Wegs gezogen ist, um eine den Parkraumdimensionen angemessene Größe zu erreichen. Andererseits entspricht straight edge mit seiner markanten Horizontalität den zahlreichen langgestreckten Waagerechten der umgebenden architektonischen Elemente (Mauern, Bassineinfassung), fügt sich in dieser Hinsicht in die Struktur des Ortes ein.
straight Edge ist der Name einer Konstruktion von Sebastian Dannenberg. Wörtlich übersetzt heißt es soviel wie „gerade Kante“, im übertragenen Sinne bedeutet es „nüchterner Vorteil“. Straight edge ist eine Strömung innerhalb der Punkszene, ein über Musik und Kleidung hinausgehende Lebenshaltung, die vor allem durch den Verzicht auf eine promiske Lebensweise, Drogen und Alkohol geprägt ist. Zudem kann der Titelbestandteils „straight“ soviel wie „gerade, grundehrlich, aufrichtig, tatsachentreu, klar, einfach, ernst“ heißen.
straight edge von Sebastian Dannenberg ist eine Konstruktion, die eine Malerei ist. Sie stellt einen einfarbigen Pinselstrich aus. Es handelt sich um einen fast die ganze Länge des Malgrundes einnehmenden Farbzug, ausgeführt mit Kunstharzlack in Reinorange. Diese mit breitem Quast gesetzte Bahn markiert den Bereich der Falz, betont die Spezifik dieser Konstruktion. Der Malzug hat eine definierte Länge, einen Anfang und ein Ende. Sein Abstand zur rechten Schmalseite des Malgrundes ist rechts deutlich größer als der zur linken Seite, was die die Symmetrie des Parks störende Platzierung nochmals betont.
straight edge von Sebastian Dannenberg ist eine Malerei, die unterhalb der Augenhöhe und parallel zum Boden situiert ist. Sie hat keinen unmittelbaren Kontakt zu einer Wand. Sie hängt nicht, sie steht frei im Raum. Sie ist kein Bild. Sie ist etwas anderes. Es ist eine Malerei die einfach und unübersichtlich ist. Sie ist nicht auf einmal zu sehen und muss abgeschritten werden. Erst im Vorübergehen zeigen sich zahlreiche Details wie Unregelmäßigkeiten des Malgrundes, Farbtropfen und zufällige Farbspuren außerhalb des Pinselzuges. Sichtbar wird die Abhängigkeit der Farbe vom Licht. Die gemalte Farbe erscheint je nach Sonnenstand, Verschattungen und Lage zum Licht als ein klares, kräftiges Orange oder als ein gedämpftes Rotbraun, sie kann matt oder glänzend sein. Diese differierenden Erscheinungsweisen stehen bedingt durch die Winkelung des Malgrundes unvermittelt nebeneinander. Dieser Pinselstrich ist nichts anderes als ein Pinselstrich in einer bestimmten Farbe. Er demonstriert Malerei. Es gibt keinen (Be)Deutungsspielraum. straight edge ist eine Konstruktion, ist eine Malerei, die an Ort und Stelle als ein Ganzes und in ihren Einzelheiten, ihren (Aus)Maßen, ihrer Ausrichtung am Vorhandenen und unabhängig davon in ihrer nüchtern-schönen Tatsächlichkeit zu sehen ist.
HEAL THE WORLD Sebastian Dannenberg lotet in seiner künstlerischen Praxis die offenen Möglichkeiten zeitgenössischer Malerei aus. Nur selten verwendet er klassische Bildträger auf Keilrahmen, sondern arbeitet direkt auf der Ausstellungswand, bindet aber auch gerne die Decke, den Boden und weitere raumstrukturierende Elemente ein. Als Farbe verwendet er handelsüblichen Lack, den er einfarbig aufträgt – als Fläche oder Streifen, mitunter entstehen aber auch übergroße Worte in Spiegelschrift, die in ihrer Ästhetik amerikanischen Billboard-Werbetafeln entlehnt sind. Die Erweiterung der Malerei wurde bereits seit den 1960er Jahre vielfältig erprobt. In der Tat zeugen Dannenbergs Arbeiten von einer Auseinandersetzung mit Positionen der Minimal und Conceptual Art. Es gibt aber auch deutliche Bezugnahmen zur konstruktiv-abstrakten Malerei und den Konzepten des Suprematismus. Dannenberg hat vor diesem Hintergrund eine ganz eigenständige und auch zeitgenössische Position entwickelt. Seine ortbezogene Arbeiten sind in der Regel nicht auf Dauer angelegt, sondern verschwinden nach der Ausstellung unter den geweißten Wänden. Es sind Markierungen auf Zeit, die aber dessen ungeachtet eine besondere Präsenz und Intensität entfalten. Dannenberg lässt sich von den architektonischen Gegebenheiten inspirieren, hebt sie hervor und ergänzt sie bisweilen um weitere architektonische Elemente, um einem Vorsprung, eine Rundung oder ein mehrteiliges Lattengerüst. Vielfältige und bedenkenswerte Bezüge zwischen Ort, Betrachter und künstlerischer Setzung entstehen. Für die Ausstellung in der Weserburg hat Dannenberg einen blauen Farbstreifen gezogen. Er setzt an einer tragenden Säule an, steigt senkrecht auf, zieht sich torbogenartigen über die Decke, um auf der gegenüberliegenden Wand senkrecht hinuntergeführt zu werden, bevor der Streifen schließlich nach einem Rechtsbogen horizontal ausläuft. Die beiden Übergänge von Wand zu Decke hat Dannenberg mit provisorisch anmutenden Einbauten abgerundet, so dass sich der Farbstreifen der Architektur regelrecht anschmiegen kann. Dannenbergs Malerei ordnet sich nicht unter. Sie akzentuiert, verändert, erweitert und irritiert den Raum und bleibt am Ende doch ganz Malerei.
© 2016 Ingo Clauß
regioartline — Portrait von Dietrich Röschmann
artist kunstmagazin — Portrait von Rainer Bessling
Das graue Rauschen Es ist das Interesse an scheinbar Randständigen, am Zurückgelassenen und am Umfunktionierten, das Sebastian Dannenbergs Denken anregt und seinen Arbeitsprozess stimuliert. Oft sprachen wir über seine Erlebnisse auf Reisen ins Ausland, auf denen er eine Vielzahl von visuellen Eindrücken sammelte, die später Einfluss in seine Arbeiten fanden.
Als besonders eindrucksvoll schilderte er seine Findungen im afrikanischen Ghana. Dort beobachtete er, wie Gegenstände wie beispielsweise Autos, Häuser oder Mauern von ihren Besitzern auf individuelle Weise gestalterisch bearbeitet waren, wie es in Europa äußerst ungewöhnlich ist. Meist handelte es sich um grafische Muster, geometrische Formen oder Symbole, die auf die Oberflächen der jeweiligen Dinge gemalt oder gesprüht waren. Sebastian Dannenberg stellte schnell fest, dass ihn diese beiläufig auftauchenden Findungen begeistern, weil er darin etwas Künstlerisches erkannte. So wurde für ihn eine mit zwei leuchtenden Farbflächen bemalte Hütte zum Colorfield-Painting oder ein bunt bemaltes Gatter zu einer linearen Skulptur im öffentlichen Raum. Besonders beeindruckten ihn die Direktheit und die Nicht-Perfektion, in der die Gegenstände gestaltet waren. Die malerischen Eingriffe erschienen als starke Setzung, die in Verbindung mit den Abnutzungserscheinungen und der Marginalität, die vielen dieser Gegenstände eingeschrieben war, etwas Kraftvolles und Authentisches ergab, von dem er sich so stark angezogen fühlte.
Unsere Gespräche über diese Erfahrungen haben bei mir dazu beigetragen, solche Wahrnehmungen ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen. Ebenfalls habe ich so Einblicke in das künstlerische Denken von Sebastian Dannenberg erhalten, die bis heute meinen Umgang mit seinem Werk prägen. Dieser subjektive Rückgriff am Beginn einer Auseinandersetzung mit seinem Werk kann also vielleicht auch dazu beitragen, meine Lesart des Werks in eine allgemeinere Rezeption von Sebastian Dannenbergs Kunst mit einfließen zu lassen.
Für die Ausstellung „the amazing GREY“ im MMIII Kunstverein Mönchengladbach hat sich der Künstler intensiv mit öffentlichen und halb-öffentlichen Räumen beschäftigt, die keine Nutzung mehr erfahren und dabei untersucht, wie sie sich in einem solch obsoleten Zustand verändern.
Gerade in Nordrhein-Westfalen, wo in den letzten vierzig Jahren eine massive Umstrukturierung der Wirtschaft stattgefunden hat, kennen alle die Auswirkungen solcher Prozesse. Im Optimalfall ist es eine gewisse Ruinenromantik, die in den Brachen von ehemaligen Industriestandorten erhalten bleibt. Doch wie verhält es sich mit Orten, die nicht den Charme der Vergangenheit in sich tragen, sondern eher die hässliche Seite der Gegenwart offen zutage befördern: Zweckarchitekturen, die am Reißbrett konzipiert wurden und nach Schema F an jedem beliebigen Standort aufgestellt werden können. So beispielsweise Schnellrestaurants oder Einkaufszentren, die in ihrem immer gleichen Design, lediglich die Kauflust der Kunden animieren sollen.
Der französische Anthropologe Marc Augé hat in den 1990er Jahren den Begriff des Nicht-Orts eingeführt, der in diesem Kontext nützlich gemacht werden kann. Nicht-Orte sind für Augé monofunktionale Bauten wie zum Beispiel Flughäfen, Shopping-Malls oder Bahnhöfe. Sie sind transitorische Orte, in denen sich Identität nicht manifestiert. Es sind Orte, die kommunikativ verwahrlost sind, Orte, an denen die Abwesenheit von Menschlichkeit und Geschichte spürbar wird.
Doch was passiert an und mit diesen Orten, wenn sie ihrer Funktion enthoben sind? Sebastian Dannenberg hat sich dorthin begeben, um diesen Fragen nachzugehen und beobachtet, wie Zweckgegenstände zum nackten Objekt werden, wenn ihre Funktion suspendiert wird. So entsteht eine Lücke, die als ästhetisch betrachtet werden kann, weil sie über die Verfallsgeschichte des Ortes Bände spricht.
Sebastian Dannenberg erkennt die Poetik dieser Situationen, sie dienen ihm als Stimulanz, um seinen Werkprozess in Gang zu setzen. So entstehen Objekte, die von diesen Findungen inspiriert sind, sie aber niemals eins zu eins nachbilden. Vielmehr schafft er Versatzstücke einer Realität, die als Fragment eine uns bekannte Formsprache des Öffentlichen abruft: Wenn wir die Ausstellung begehen, fühlen wir uns in diese Situationen versetzt, denn die Arbeiten erinnern an Ladenzeilen oder Werbetafeln, die durch ihre plakativen Wortfetzen an Botschaften im öffentlichen Raum erinnern. Andere Arbeiten wie „aircondition studio version“ verweisen durch ihren Titel direkt auf ihren Bezug auf eine Dingwelt, wie sie an Nicht-Orten, um in den Worten Augés zu sprechen, wie Parkhäusern oder Einkaufszentren vorzufinden sind.
Durch diesen offensichtlichen Bezug auf Realität verändert sich auch die Wahrnehmung des Galerieraums: Er wird vom Kunstraum zur Passage, den man begeht, als würde man durch den Stadtraum schlendern. So wird der Betrachter zum Flaneur. Eine solche Reaktion ist für Sebastian Dannenberg keineswegs negativ konnotiert. Ihm ist viel daran gelegen, durch den Einsatz von architektonischen Versatzstücken eine Realitätssimulation zu erschaffen, die als solche erfahren wird. Durch dieses Schlendern und Abschreiten wird die kontemplative Erfahrung des einzelnen Werks dynamisiert und der Blick des Betrachters auch auf den Umraum, also die ortsspezifische Situation als Ganzes gelenkt.
Wenn man also davon ausgeht, dass Sebastian Dannenbergs Arbeiten einen eigenen Raum erschaffen, muss man konsequenterweise auch die Frage stellen, in welcher Zeit dieser Raum verortet werden kann. Ich behaupte, dass die Arbeiten, die der Künstler in „the amazing GREY“ präsentiert, unsere unmittelbare Gegenwart aufrufen. Denn mit Versatzstücken wie Neonröhren oder Werbe-Buchstaben adressiert er eine Warenästhetik, wie sie uns aus unserer heutigen Konsumwelt einschlägig bekannt ist.
Gleiches geschieht in der Arbeit „aircondition studio version“: Wie der Titel verrät, ist ihre Form von einer Klimaanlage inspiriert, die mit einfachsten Mitteln, nämlich den Bodenplatten eines im Atelier des Künstlers befindlichen Schwerlastregals nachempfunden wurde. Allerdings könnte man sich auch an andere Gegenstände erinnert fühlen, die ebenfalls aus dem Kosmos unserer Jetzt-Zeit entstammen. Konkret sei hier auf Stapelboxen aus Plastik verwiesen, wie sie von Self-Storage Unternehmen bereitgestellt werden.
In einer sich radikal beschleunigenden Arbeits- und Lebenswelt der 1960er Jahre wurden in den USA riesige Lagerhallen gebaut, in denen das Hab und Gut von Großstädtern eingelagert werden konnte, weil der verknappte Wohnraum der Städte längst nicht mehr genügend Platz zur Verfügung stellte, um dauerhaft sesshaft zu werden.
Ein Imperativ der Mobilität, der tief in ein solches Konzept eingeschrieben ist, hat mittlerweile global um sich gegriffen und kaum einen Lebensbereich verschont gelassen: Berufe sind zu zeitlich befristeten Jobs geworden, Produktionen werden bedarfsorientiert ausgelagert und mit Billigfliegern oder Videotelefonaten kann man immer überall sein. Unter diesen Bedingungen erfährt die Stapelbox, die an Orten eingelagert wird, die vermutlich auf frappierende Weise den von Marc Augé beschriebenen Nicht-Orten entsprechen, eine neue, ja, eine metaphorische Aufladung. „aircondition studio version“ scheint in seiner minimalistischen und cleanen Erscheinung einen solchen Identitätsverlust unmittelbar zu thematisieren. Doch gibt es neben dieser inhaltlichen Assoziationskette auch ein weiteres, ein werk-immanentes Element in Sebastian Dannenbergs Arbeiten, dem unbedingt Beachtung geschenkt werden muss, nämlich sein Einsatz von und sein Umgang mit Farbe.
Wir sehen Vordächer, in die sich graue Monochrome einfügen, Neonröhren, die durch ein blaues Rechteck gerahmt sind und Buchstaben, die mit einem tiefen Schwarz gefüllt sind. Wie in vielen seiner anderen Arbeiten führt Sebastian Dannenberg diese Malereien direkt auf der Wand aus.
Durch die Art, wie er Farbe verwendet, scheint den Werken ein lustvoller Moment hinzugefügt werden, der im Kontrast zu der Strenge der skulpturalen Konstruktionen steht. Die Flächen und Linien sind so satt gefüllt, dass die Farbe über die Begrenzungen der Fläche tropft. Sichtbare Pinselstriche zitieren einen malerischen Gestus. Allerdings dient dieser lustvolle Umgang mit Farbe nicht nur dazu, um sich zu den eigenen Verflechtungen mit dem Medium Malerei zu bekennen. Vielmehr verhandelt Sebastian Dannenberg durch den Einsatz von Farbe die konzeptionellen Fragen, die er an das Medium der Malerei stellt. Namentlich ist damit das Potential der Malerei gemeint, Räumlichkeit zu erzeugen. Dies wird durch die Tatsache verkompliziert, dass eine solche Auseinandersetzung – zumindest im Falle des klassischen Tafelbildes – immer nur in der zweidimensionalen Fläche stattfindet und somit illusorisch bleiben muss. Sebastian Dannenberg hat diese konventionelle Form der Malerei hinter sich gelassen und sie in den dreidimensionalen Raum übertragen. Die Malerei verliert dabei ihre darstellende Funktion und fungiert stattdessen als Markierung oder Setzung, die als gleichberechtigtes Element in die skulpturale Inszenierung eingreift.
Wenn einer der Regalböden in „aircondition studio version“ nach vorne aufklappt und dahinter eine rote Fläche zum Vorschein kommt, wird die Ansichtsseite des Objektes um ein Dahinter erweitert. Man kann nicht sehen, ob sich ähnliche Farbflächen auch hinter den anderen Regalböden verstecken, zieht aber der potentielle Existenz automatisch in Betracht. Somit entgrenzt sich das Wandobjekt in eine imaginäre Sphäre. Im Kopf des Betrachters setzt es sich zu einem dreidimensionalen Objekt, das über ein Vorne, Hinten, Oben und Unten verfügt, zusammen. Natürlich geht es hier nicht darum, ein Rätsel zu ersinnen, dessen Lösung durch Hochklappen des Deckels preisgegeben werden würde. Das Spiel mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zielt darauf ab, klassische Werkkategorien zu destabilisieren, die die Sphäre des Werks lediglich auf seinen faktischen Körper zu reduzieren. Werken wie „aircondition studio version“ gelingt es also, ihren manifesten Objektstatus in eine imaginäre Sphäre zu erweitern. Sebastian Dannenberg untersucht so die Vorstellung, dass Raum nicht zwangsläufig physisch greifbarer sein muss. Damit schließt seine Arbeit an Raumtheorien an, die im Bereich der Wissenschaft, vor allem durch die Theorien der Poststrukturalisten, intensiv bearbeitet worden sind. Diese Theorien erweitern die Vorstellung von Räumen als rein physische Orte dadurch, dass auch Konventionen, Regeln oder Politik unsichtbare Räume generieren können, die von uns als solche wahrgenommen werden und dann Einzug in unser Denken und Verhalten finden. „the amazing GREY“ deutet auf werkimmanenter Ebene auf diese Thematik hin und nimmt so den inhaltlichen Anspruch wieder auf, eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Un-Orten unserer Gegenwart zu behaupten. Die Werke der Ausstellung fordern uns so dazu heraus, unser eigenes Verhältnis zu diesen Orten zu bestimmen.
© 2015 SEBASTIAN SCHNEIDER
straight edge straight edge von Sebastian Dannenberg ist ein zwanzig Meter lange, etwa 130cm tiefe Konstruktion. Die vordere Höhe liegt bei 50cm, die hintere beträgt gut 90cm. Es ist eine Art lang gestreckter, schmaler Tisch oder eher ein Display, dessen hintere Partie zur vorderen, exakt waagerechten stumpf angewinkelt ist. Diese hintere, rund Zweidrittel der Gesamtfläche einnehmende Zone sieht wie hochgeklappt oder schräg gestellt aus. Diese geknickte Fläche besteht aus mit weißer Fassadenfarbe gestrichenen Seekieferplatten, einem sichtbar rauen, mit diversen größeren Ausflickungen versehen Material, das auch unter dem Namen Konstruktionssperrholz angeboten wird. Diese Fläche ruht auf einer funktionalen Konstruktion aus unbearbeiteten Holzlatten. Die Beine stehen in einem regelmäßigen Abstand, durch den ein Rhythmus und ein Maß für die Längenerstreckung der Konstruktion gegeben sind; Diagonalverstrebungen geben dem Unterbau die erforderliche Stabilität.
straight edge von Sebastian Dannenberg ist eine präzise in die architektonischen Gegebenheiten des Parks eingepasste Konstruktion. Sie bezieht sich in Maß, Form und Platzierung auf die beiden Backsteintreppen, die vom Rosengarten, also der Ebene des Bassins hinauf zum dem Staudengarten vorgelagerten Lindenplatz führen. Die Winkelung der Displayfläche verläuft streng parallel zu Einfassung dieser Treppen, also zunächst horizontal, dann ansteigend. Die Konstruktion berührt diese Einfassung an keiner Stelle. Sie blockiert die (vom Bassin aus gesehen) rechte Treppe zur Hälfte, die linke vollständig. Der Zugang zur zurückgesetzten Treppe außen links, neben dem Lindenplatz ist stark erschwert; lediglich ihr Pendant auf der rechten Seite ist ungehindert zugänglich. straight edge ist eine Sperre. Die Konstruktion stört die Routinewege der Parkbesucher. straight edge stört die strenge Symmetrie dieses Parkteils durch seine tendenziell auf den linken Bereich des Geländes orientierte Platzierung und Erstreckung. Hierbei irritiert besonders der linke, einen Treppenzugangsweg verstellende Teil der Konstruktion, der hier notwendig bis an den Rand des Wegs gezogen ist, um eine den Parkraumdimensionen angemessene Größe zu erreichen. Andererseits entspricht straight edge mit seiner markanten Horizontalität den zahlreichen langgestreckten Waagerechten der umgebenden architektonischen Elemente (Mauern, Bassineinfassung), fügt sich in dieser Hinsicht in die Struktur des Ortes ein.
straight Edge ist der Name einer Konstruktion von Sebastian Dannenberg. Wörtlich übersetzt heißt es soviel wie „gerade Kante“, im übertragenen Sinne bedeutet es „nüchterner Vorteil“. Straight edge ist eine Strömung innerhalb der Punkszene, ein über Musik und Kleidung hinausgehende Lebenshaltung, die vor allem durch den Verzicht auf eine promiske Lebensweise, Drogen und Alkohol geprägt ist. Zudem kann der Titelbestandteils „straight“ soviel wie „gerade, grundehrlich, aufrichtig, tatsachentreu, klar, einfach, ernst“ heißen.
straight edge von Sebastian Dannenberg ist eine Konstruktion, die eine Malerei ist. Sie stellt einen einfarbigen Pinselstrich aus. Es handelt sich um einen fast die ganze Länge des Malgrundes einnehmenden Farbzug, ausgeführt mit Kunstharzlack in Reinorange. Diese mit breitem Quast gesetzte Bahn markiert den Bereich der Falz, betont die Spezifik dieser Konstruktion. Der Malzug hat eine definierte Länge, einen Anfang und ein Ende. Sein Abstand zur rechten Schmalseite des Malgrundes ist rechts deutlich größer als der zur linken Seite, was die die Symmetrie des Parks störende Platzierung nochmals betont.
straight edge von Sebastian Dannenberg ist eine Malerei, die unterhalb der Augenhöhe und parallel zum Boden situiert ist. Sie hat keinen unmittelbaren Kontakt zu einer Wand. Sie hängt nicht, sie steht frei im Raum. Sie ist kein Bild. Sie ist etwas anderes. Es ist eine Malerei die einfach und unübersichtlich ist. Sie ist nicht auf einmal zu sehen und muss abgeschritten werden. Erst im Vorübergehen zeigen sich zahlreiche Details wie Unregelmäßigkeiten des Malgrundes, Farbtropfen und zufällige Farbspuren außerhalb des Pinselzuges. Sichtbar wird die Abhängigkeit der Farbe vom Licht. Die gemalte Farbe erscheint je nach Sonnenstand, Verschattungen und Lage zum Licht als ein klares, kräftiges Orange oder als ein gedämpftes Rotbraun, sie kann matt oder glänzend sein. Diese differierenden Erscheinungsweisen stehen bedingt durch die Winkelung des Malgrundes unvermittelt nebeneinander. Dieser Pinselstrich ist nichts anderes als ein Pinselstrich in einer bestimmten Farbe. Er demonstriert Malerei. Es gibt keinen (Be)Deutungsspielraum. straight edge ist eine Konstruktion, ist eine Malerei, die an Ort und Stelle als ein Ganzes und in ihren Einzelheiten, ihren (Aus)Maßen, ihrer Ausrichtung am Vorhandenen und unabhängig davon in ihrer nüchtern-schönen Tatsächlichkeit zu sehen ist.
Jens Peter Koerver