Der Maler Sebastian Dannenberg tritt mit eigenen Arbeiten in einen spektakulären Dialog mit der Sammlung des PEAC Museums in Freiburg.
Als Sebastian Dannenberg vor fünf Jahren vom Freiburger Kunstraum Alexander Bürkle zu der Schau „Allerbeste Aussichten“ eingeladen wurde, einer Bühne für junge Talente, brachte er keine stille Arbeit mit, die man ihm als Zurückhaltung hätte auslegen können oder gar als Demut gegenüber kunsthistorischen Schwergewichten wie Donald Judd oder Agnes Martin, die für seinen Auftritt in den Keller der Sammlung von Paul Ege hatten wandern müssen. Im Gegenteil. Dannenberg ließ es krachen. Auf Hüfthöhe montierte er an der Wand die ausladende Arbeit „APM Aircondition“: zehn gerahmte Zinkbleche, die sich kippen ließen wie Lüftungsgitter und dahinter den Blick frei gaben auf ein giftiges Grün.
Im Freiburger PEAC Museum, wie der einstige Kunstraum Bürkle heute heißt, hängt „APM Aircondition“ jetzt in drei Modulen übereinander auf blauem Grund im letzten Raum. Sie markiert so gewissermaßen den Schlusspunkt der spektakulären Einzelausstellung von Dannenberg, die in Wahrheit viel mehr und etwas völlig anderes ist als eine herkömmliche Soloschau, eher eine Art Carte Blanche.
PEAC-Leiterin Julia Galandi-Pascual, die im September das Haus nach 18 Jahren verlassen und an eine Privatsammlung in Marburg wechseln wird, lud den 42-Jährigen ein, seine eigenen Arbeiten der vergangenen Jahre mit der hochkarätigen Sammlung des Museums in Dialog zu bringen – und umgekehrt. Dannenberg, der einige Jahre an der Freiburger Außenstelle der Karlsruher Kunstakademie studiert hatte, bevor er an die HfK Bremen wechselte und dort Meisterschüler von Stefan Baumkötter war, kennt die Sammlung gut. Als Künstler teilt er das lebhafte Interesse an der Frage, was genau ein Bild ist, die hier in immer neuen Facetten verhandelt wird. Und auch das Interesse an hybriden Zuständen zwischen Skulptur und Malerei, Fläche und Raum, und auch das Faible für eine minimalistische Formensprache, die so prägend ist für die PEAC-Sammlung.
Eine erfrischende Radikalkur
Zwei Wochen nahm sich Dannenberg Zeit für die spielerische Konfrontation der eigenen, oft ortsspezifischen Arbeiten mit ausgewählten Werken, die ihn im Depot angesprungen hatten oder die als unausweichlich aus dem Echoraum der eigenen Seherfahrung auf seine Liste gekrochen waren. Das Ergebnis dieser Recherche ist eine erfrischende Radikalkur in der Wandelhalle der Reduktion.
Wie sehr Dannenberg dabei auf eine Strategie der De- und Rekonstruktion setzt, zeigt sich gleich im ersten Raum. Ein riesiges rechteckiges Farbfeld, in flirrendem Orange direkt auf die Wand gebracht, wird dort scheinbar von einem Baugerüst abgestützt, das wie die Hinterkonstruktion einer Werbetafel wirkt. An der gegenüberliegenden Wand leuchtet dazu Dan Flavins Neon-Arbeit „Untitled (for Otto Freundlich)“, die in diesem Setting aber nicht die Diva gibt, als die sie auftreten könnte, sondern lediglich Gesprächspartnerin ist in einer hierarchiefreien Auseinandersetzung über die Verschränkung von alltäglichen, urbanen und kunsthistorischen Räumen und ihren Blickachsen. Man könnte das als eine Aktivierung gemeinsamer Potenziale für die Gegenwart nennen.
Konsequent bildet Dannenberg solche Überschneidungen auch in der Choreografie seines Ausstellungsparcours ab. Da markiert eine am Boden verlaufende weiße Holzkonstruktion mit schwarzem Quastenstrich eine Art Schutzraum für zwei Bilder von Marcia Hafif, bevor diese Installation wie eine Förderschiene in einem Logistikzentrum die Wand hinaufkriecht und im Raum dahinter verschwindet. Dort liegen aus grauen Betontrogfragmenten vom Baumarkt zusammengesetzte Säulen wie auf einem antiken Trümmerfeld und lassen mit ihren rosa und türkis gefassten Hohlseiten fünf wunderbar lichte Radierungen von Robert Ryman in unerwarteten Farbtönen schimmern.
Entspannt abhängen mit Donald Judd
Und im mittleren Saal ließ Dannenberg gar die gewichtige Bodenarbeit „Cod, Spring, Circle“ von Richard Long wegräumen, die hier ihren Stammplatz hat, um sich mit einer paraventartigen Installation ungestört vor drei zarten Lithografien von Fred Sandback zu entfalten.
Es ist diese Mischung aus Respekt und Intimität, Verehrung und Aneignung, die einem in Dannenbergs „Backspace“ auf Schritt und Tritt begegnet und die dazu einlädt, entspannt gemeinsam mit ihm, den Judds, Rymans, Baumkötters und allen anderen abzuhängen. Darin liegt eine große Leichtigkeit.
von Dietrich Roeschmann
Der Maler Sebastian Dannenberg tritt mit eigenen Arbeiten in einen spektakulären Dialog mit der Sammlung des PEAC Museums in Freiburg.
Als Sebastian Dannenberg vor fünf Jahren vom Freiburger Kunstraum Alexander Bürkle zu der Schau „Allerbeste Aussichten“ eingeladen wurde, einer Bühne für junge Talente, brachte er keine stille Arbeit mit, die man ihm als Zurückhaltung hätte auslegen können oder gar als Demut gegenüber kunsthistorischen Schwergewichten wie Donald Judd oder Agnes Martin, die für seinen Auftritt in den Keller der Sammlung von Paul Ege hatten wandern müssen. Im Gegenteil. Dannenberg ließ es krachen. Auf Hüfthöhe montierte er an der Wand die ausladende Arbeit „APM Aircondition“: zehn gerahmte Zinkbleche, die sich kippen ließen wie Lüftungsgitter und dahinter den Blick frei gaben auf ein giftiges Grün.
Im Freiburger PEAC Museum, wie der einstige Kunstraum Bürkle heute heißt, hängt „APM Aircondition“ jetzt in drei Modulen übereinander auf blauem Grund im letzten Raum. Sie markiert so gewissermaßen den Schlusspunkt der spektakulären Einzelausstellung von Dannenberg, die in Wahrheit viel mehr und etwas völlig anderes ist als eine herkömmliche Soloschau, eher eine Art Carte Blanche.
PEAC-Leiterin Julia Galandi-Pascual, die im September das Haus nach 18 Jahren verlassen und an eine Privatsammlung in Marburg wechseln wird, lud den 42-Jährigen ein, seine eigenen Arbeiten der vergangenen Jahre mit der hochkarätigen Sammlung des Museums in Dialog zu bringen – und umgekehrt. Dannenberg, der einige Jahre an der Freiburger Außenstelle der Karlsruher Kunstakademie studiert hatte, bevor er an die HfK Bremen wechselte und dort Meisterschüler von Stefan Baumkötter war, kennt die Sammlung gut. Als Künstler teilt er das lebhafte Interesse an der Frage, was genau ein Bild ist, die hier in immer neuen Facetten verhandelt wird. Und auch das Interesse an hybriden Zuständen zwischen Skulptur und Malerei, Fläche und Raum, und auch das Faible für eine minimalistische Formensprache, die so prägend ist für die PEAC-Sammlung.
Eine erfrischende Radikalkur
Zwei Wochen nahm sich Dannenberg Zeit für die spielerische Konfrontation der eigenen, oft ortsspezifischen Arbeiten mit ausgewählten Werken, die ihn im Depot angesprungen hatten oder die als unausweichlich aus dem Echoraum der eigenen Seherfahrung auf seine Liste gekrochen waren. Das Ergebnis dieser Recherche ist eine erfrischende Radikalkur in der Wandelhalle der Reduktion.
Wie sehr Dannenberg dabei auf eine Strategie der De- und Rekonstruktion setzt, zeigt sich gleich im ersten Raum. Ein riesiges rechteckiges Farbfeld, in flirrendem Orange direkt auf die Wand gebracht, wird dort scheinbar von einem Baugerüst abgestützt, das wie die Hinterkonstruktion einer Werbetafel wirkt. An der gegenüberliegenden Wand leuchtet dazu Dan Flavins Neon-Arbeit „Untitled (for Otto Freundlich)“, die in diesem Setting aber nicht die Diva gibt, als die sie auftreten könnte, sondern lediglich Gesprächspartnerin ist in einer hierarchiefreien Auseinandersetzung über die Verschränkung von alltäglichen, urbanen und kunsthistorischen Räumen und ihren Blickachsen. Man könnte das als eine Aktivierung gemeinsamer Potenziale für die Gegenwart nennen.
Konsequent bildet Dannenberg solche Überschneidungen auch in der Choreografie seines Ausstellungsparcours ab. Da markiert eine am Boden verlaufende weiße Holzkonstruktion mit schwarzem Quastenstrich eine Art Schutzraum für zwei Bilder von Marcia Hafif, bevor diese Installation wie eine Förderschiene in einem Logistikzentrum die Wand hinaufkriecht und im Raum dahinter verschwindet. Dort liegen aus grauen Betontrogfragmenten vom Baumarkt zusammengesetzte Säulen wie auf einem antiken Trümmerfeld und lassen mit ihren rosa und türkis gefassten Hohlseiten fünf wunderbar lichte Radierungen von Robert Ryman in unerwarteten Farbtönen schimmern.
Entspannt abhängen mit Donald Judd
Und im mittleren Saal ließ Dannenberg gar die gewichtige Bodenarbeit „Cod, Spring, Circle“ von Richard Long wegräumen, die hier ihren Stammplatz hat, um sich mit einer paraventartigen Installation ungestört vor drei zarten Lithografien von Fred Sandback zu entfalten.
Es ist diese Mischung aus Respekt und Intimität, Verehrung und Aneignung, die einem in Dannenbergs „Backspace“ auf Schritt und Tritt begegnet und die dazu einlädt, entspannt gemeinsam mit ihm, den Judds, Rymans, Baumkötters und allen anderen abzuhängen. Darin liegt eine große Leichtigkeit.
Freiburg, Juli 2022